Dienstag, 1. Juni 2010

Trick or Treat

Wer kennt sie nicht, die sympathische Rothaut aus der Kytta-Werbung? Falls nicht, guckst du hier:



Wer sich den Original-Spot anschauen möchte, hier der Link zum Regisseur: gkrasting.com

Zunächst mal: Der (später hinzugefügte), ungemein tiefsinnige Spruch "Ein Indianer kennt keinen Schmerz" wird im Spot umgehend ad absurdum geführt. Denn Häuptling Runzliger Hirschs Hauptaufgabe ist ja gerade, uns vorzugaukeln, daß er sehr wohl Schmerzen kennt.

Zu gerne hätte ich herausgefunden, ob der native american aus dem Spot tatsächlich einer ist, oder ob uns da wieder irgendein Franzose oder Serbe mit Winne-Toupet untergejubelt wird. Leider war dies nicht zu erfahren, ebenso wenig, warum er halbnackt durch den Wald hetzt, um dann auf dem Felsen plötzlich in eine Art Tai Chi zu verfallen.

Interessant ist aber, wie hier wieder mit dem Bild des weisen, edlen Ureinwohners Naturheilmittel an den Mann gebracht werden sollen. Motto: Schon die "alten" Indianer haben mit Beinwell (so heißt die Pflanze) ihre schmerzenden Muskeln behandelt.
Die Wahrheit ist, wie so oft, slightly different. Denn vorzugsweise die Cherokee haben die Pflanze von den weißen Siedlern übernommen, die diese erst mit nach Amerika gebracht hatten. Und sie haben sie im Gegensatz zu den Europäern vorzugsweise innerlich angewendet, wegen ganz anderer Zipperlein als Muskelverspannungen.

Leider ist man in der Pharma-Werbewelt aber der Meinung, daß sich Arznei mit sinnfreier Indianer-Mystik, wahlweise auch mit esoterischem Afrika- oder Asia-Firlefanz besser an die Frau bringen läßt als mit der unaufgeregten Wahrheit. Sioux sells.
Die unterschwellige, plumpe Botschaft ist immer dieselbe: Mann-o-mann, was sind diese Indianer (Pocken), Afrikaner (Malaria) und Chinesen (Vogelgrippe) doch für urgesunde Völkchen! Vollgestopft mit Geheimwissen über wundersame Heilmittel, das Leben, das Universum und den ganzen Rest. Aber gottlob gibt es ja die Indiana Joneses von der Pharmaindustrie. Die nämlich durchschwimmen Sümpfe, entlauben Wälder und graben Wüsten mit Teelöffeln um, um auch dem letzten Schamanen sein Mittel gegen Fußpilz zu entreißen.

Ein weiteres schönes Beispiel dafür ist "Kijimea", die neue und massiv beworbene Wunderdroge für freudlose, probiotische Dinkel-Nazis und reinkarnierte Mittelschichts-Hausfrauen im Eigenurin-Rausch.

Auf der zugehörigen Internetseite heißt es auf die Frage, was denn das Mittel mit Afrika zu tun habe, daß „einem kleinen Team Münchner Ärzte“, die „über Jahre“ in Afrika tätig waren, dort das „legendäre Kriegervolk der Massai“ aufgefallen ist. Besser gesagt, deren Ernährungsgewohnheiten. Selbige dienten allerdings lediglich als Inspiration des mysteriösen Ärzteteams, sich Probiotika und Synbiotika (kein Schreibfehler!) so richtig zur Brust zu nehmen, um die ultimative „Immunkur“ zu finden. Helden im Dienste der Menschheit, diese Ärzte. Einfach toll.

Die Massai, ein Volk von Hirtennomaden, die erst seit einigen Jahrzehnten verstärkt Ackerbau betreiben, ernähren sich laut Kijimea-Werbung von einer fermentierten Milchmischung. Das soll sicher irgendwie lecker nach linksdrehenden Joghurtkulturen klingen, ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Die unappetitlichen und weniger blumigen Details verschweigt man uns.

Denn zum einen wird die Milch (mehr ist es nicht, stinknormale Milch, frisch und unpasteurisiert direkt aus der Kuh) zumeist mit frischem Rinderblut vermischt. Zum anderen ernähren sich davon hauptsächlich die jungen Männer. Denn die brauchen diesen Fett-Eiweiß-Mix als Energielieferant, denn sie sind diejenigen, die täglich kilometerweit durch die Savanne latschen müssen, immer ihren Herden hinterher. (Diese ständige Bewegung ist auch der wesentliche Grund, warum die Massai trotz dieser gewöhnungsdürftigen Diät unterdurchschnittlich häufig an Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden. Aber das nur nebenbei.) Außerdem muß man wissen, daß bei den Massai jede Art von Schmerzbekundung als ehrabschneidendes Weicheigetue abgewatscht wird, was einem im Stammesverbund schon mal das Mojo kosten kann. Soll heißen: Massai sind auch nicht unbedingt seltener krank als andere, sie lassen es sich nur nicht anmerken.
Soweit die schlichten Fakten, ganz ohne pigmentierte Womanizer vor Giraffen-Fototapete.

Obwohl die Kijimea-Erzeuger dies nie offen behaupten, wird im TV-Spot suggeriert, Kijimea hätte tatsächlich irgendwas mit Afrika zu tun (hat es nicht). Erst im Kleingedruckten findet sich der Hinweis auf die ledigliche Inspiration.
Das einzig afrikanische an dem Nahrungsergänzungsmittel (was soviel bedeutet wie: sowas braucht kein Mensch, solange er sich halbwegs ausgewogen ernährt) ist der Name.

„Kijimea“ heißt auf Swahili tatsächlich „Bakterie“ .

Verkaufen Sie das Mittel mal einem Massai.

1 Kommentar:

Ede hat gesagt…

also mal wieder was gelernt, kannte den apachenwerbespot mit Finalgon light noch gar nicht, aber das muss nix heißen...eyh wenn du hier gegen die böse Pharmaindustrie wetterst wird dein Bookmark gelöscht, wer hat denn damals milliarden menschen vor der Vogelgrippe gewarnt...und sich auch ein zwei mark damit verdient...und wer hat denn viele unnütze Medikamente auf den MArkt geworfen...ach ne das waren ja die Homöopathen...und wer hat denn Coca Cola erfunden und damit den Weihnachtsmann salonfähig gemacht...die gleichen Typen, die offensichtlich behaupten, dass Rohmilch gemischt mit Blut ohne TSE Zertifikat gut für was gleichnochmal ist...hast du auch manchmal das Gefühl, dass du die Kurve nicht richtig hingekriegt hast....
ich bin müde!
Ed