Montag, 18. Januar 2010

Soko "Leberkäs"

München ist bekanntlich eine der sichersten Städte in Deutschland.
Trotzdem kann es passieren, daß mal was passiert, auch wenn sonst nie was passiert. Und manchmal passiert das, was passiert, direkt vor unseren Augen. So wie am Samstag, als der Fall des vermißten Münchner Managers quasi direkt vor unserer Haustür aufgeklärt wurde.

Wer "CSI" und Co. aufmerksam verfolgt, der weiß, wie moderne Ermittlungsarbeit funktioniert: Eine Hundertschaft martialisch gerüsteter Cops sperrt den Tatort ab, während smarte Ermittler mit Sonnenbrillen nur kurz die Nase in den Wind heben und sofort auf die Minute genau wissen, wie lange der Tote schon so da liegt, wie er da liegt. Dann steckt David Caruso dem Toten mit latexbehandschuhter Hand einen Polizeikugelschreiber in die Nase und schließt nach einem kurzem Blick in die solcherart geweiteten Nüstern auf die osteuropäische Herkunft des Opfers. Denn das Hirn eines amerikanischen Ermittlers bevorratet enzyklopädisches Wissen aller Themenbereiche. Und so weiß er, daß diese besondere Art der Nasenscheidewandverkrümmung , die der Ermordete aufweist, nur in einigen abgelegenen Bergdörfern der westlichen Karpaten vorkommt. Minuten später klicken Handschellen, der Täter ist überführt, und der Zuschauer staunt Bauklötze und Werbepausen.

Derart televisionär vorbelastet, gestaltete sich die tatsächliche Arbeit der bayrischen Kripo, der ich als Zaungast am Wohnzimmerfenster beiwohnen durfte, in etwa so spannend wie ein Bingo-Abend im Leichenschauhaus. Ganz anders als im Fernsehen besteht Ermittlungsarbeit offenbar aus zwei wesentlichen Komponenten: Abwartend herumstehen und Kette rauchen. Gern auch beides gleichzeitig. Ca. vier Stunden lang passierte rein gar nichts. Zwei Streifenwagen sperrten die Straße an beiden Enden, und einige gelangweilte Kontaktbeamte fingen jeden ab, der, aus was für Gründen auch immer, die Sperrzone betreten wollte.
Auch das verlief völlig unspektakulär. Es wurden keine Rechte verlesen, es wurde niemand ins Kreuzverhör genommen, kein widerspenstiger Passant mußte überwältigt und mit dem Gesicht in eine mit Hundehinterlassenschaften gespickte Schneewehe gedrückt werden. Als schließlich unser vollbärtiger, sichtbar arabisch stämmiger Nachbar auf der Szenerie auftauchte, war ich mir sicher, gleich Zeuge einer ausgeklügelten „God Cop /Bad Cop“ – Nummer zu werden. Aber Pustekuchen. Sogar er durfte nach Rücksprache mit dem nicht einmal ansatzweise mißtrauischen Beamten sein Auto aus der Sperrzone entfernen. „Amateure“, dachte ich, und ließ die Kamera, die ich schon zur vorsorglichen Dokumentation eventueller Polizeibrutalitäten bereit gelegt hatte, ungenutzt wieder sinken.

Indes trampelten die in schluffige Anoraks gewandeten Voralpen-Columbos um den fraglichen Lieferwagen herum und kontaminierten den Tatort mit ihren Zigarettenstummeln. Mehr aus Langeweile denn aus tatsächlich vorhandenen spektakulären Motiven machte ich dann doch ein Foto von dem Stilleben.

Ich sage euch: Es ist ein mulmiges Gefühl, wenn fünf stechende Ermittleraugenpaare wie auf Kommando in deine Richtung schauen. Vielleicht hätte ich den Blitz vorher ausschalten sollen. Merke: Am Fundort einer Leiche aus dem Hinterhalt ein Teleobjektiv auf einen Polizisten zu richten ist keine gute Idee. Und während ich schon fest damit rechnete, daß das SEK gleich unsere Wohnungstür und meinen Unterkiefer eintreten würde, widmeten sich die Kriminalbeamten wieder ihrer Nikotinsucht, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen. Offenbar waren sie Publikum gewohnt.

Nun, irgendwann später wurden noch ein paar Scheinwerfer aufgestellt, um die aufkommende Dunkelheit zu vertreiben, ohne daß erkennbar gewesen wäre, daß irgendjemand das gleißende Licht für irgendeine Art von Beweissicherung verwendet hätte. Es tat sich einfach - gar nichts, zumindest nichts, was ein mit umfassendem TV-Wissen ausgestatteter Beobachter wie ich mit spannender, high-tech-gestützter Verbrechensaufklärung assoziiert hätte. Irgendwann wurde der Lieferwagen abtransportiert, aber das bekamen wir schon gar nicht mehr mit, da wir uns interessanteren Verrichtungen zugewandt hatten.

Daß tatsächlich eine Leiche gefunden wurde, erfuhren wir erst am Sonntag. Und auch dann nicht, weil Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec an unsere Tür geklopft hätten, um uns nach „sachdienlichen Hinweisen zur Ergreifung“ auszuquetschen, sondern schnöde aus den Untiefen des Internets.

Wie soll sich ein anständiger Mensch denn bei solch dilettantischen Ermittlungsmethoden je die (vielleicht) ausgesetzte Belohnung verdienen? Nicht, daß wir irgendetwas zur Aufklärung hätten beitragen können, von ein paar hilfreichen Hinweisen hinsichtlich der korrekten Absperrung eines Tatorts mal abgesehen, für die mir die Beamten sicher sehr dankbar gewesen wären.

7 Kommentare:

Stella hat gesagt…

Hallo Micha,
ist nicht wahr? Der mit 13 hinrichtenden Schüßen im Körper übersähte 36jährige Manager war in der schwarzen Plane eingewickelt? ein A8 ist das nicht wert. Wer hatte vormittags den Lieferwagen vom Schnee befreien wollen...und wo parkte noch mal euer Auto...
Den Geburtstag vergesse ich sicher nicht ;-)
Auf diesem Wege noch einmal herzlichen Dank für die leckere Einladung :-)
LG Stella

Ede hat gesagt…

Oh Mann,

der Michel direkt im nächsten Schimanski...also nur für die Leute, die nicht jeden Tag die Münchner Lokalschmonzette lesen, wer ist bei euch erschossen worden und welcher A8? Auf dem Bild siehts mir ehr nach Winter in Bitterfeld 1985 aus oder warum hast du durch die Gardine fotographiert. Die alte Stasiphobie bekommt man nie wieder weg oder ;-)

Ach ja nachträglich alle Liebe für die Gattin zum Ehrentag...
Ed

Ede hat gesagt…

Blöde Frage, aber wer ist Stella...ich dachte immer ich und der Scheppert sind die einzigen Leser^^

Ede hat gesagt…

muss natürlich heißen der scheppert und ich...sorry

der Michel hat gesagt…

Keine Ahnung, ob erschossen oder nicht. Irgendso ein Top-Jungmanager, war sogar auf SpOn. Nun ja, und das Foto... so aus dem offenen Fenster wollte ich mich halt auch nicht hängen, und Fensterscheibe und Blitz vertragen sich nicht so gut, daher der Nebeleffekt... ist vielleicht auch besser so. In dem roten Lieferwagen lag er wohl drin.
Und Stella ist eine sehr liebe Freundin aus München, die meinem Blog bereits hemmungslos verfallen ist... Falls du es doch mal nach MUC schaffen solltest - also für länger als nur einen Espresso - lernt ihr euch vielleicht mal kennen. Hiermit sei also auch gleich die ohnehin ewig gültige Einladung erneuert. Wo sonst kriegst du solche "Action" geboten?
Vielleicht krieg ich sogar die Mietminderung durch, von wegen Leichen vor der Tür und so...

der Michel hat gesagt…

...weiß auch gar nicht, ob Mr. Mauergewinner noch mitliest, schön wär's schon... gemeldet hat er sich nicht wieder. Bin wirklich mal gespannt, ob in der nächsten Auflage wirklich ein "Ede" auftaucht, und ob es mal zu einer Lesung kommt, Exil-Ossis zum Zuhören gibt's in München zuhauf. Nicht gerechnet die ganzen Münchner Links-Intellektuellen, die nach einer Kostprobe des alten Ost-Charmes lechzen wie P1-Schicksen nach Dosen-Champagner.

Nun ja, auch diese Einladung steht...

Ede hat gesagt…

hab gerade ein schmerzen im Gesäß projekt mit ner truppe in MUC..schaumermal eribt sich bestimmt demnächst mal die gelegenhit....hab mir zufällig heute die zweite Ausgabe von Schepperts Werk bestellt...bin ja mal gespannt ob es nur gelabere war oder ernsthaft geändert wurde ;-))