Freitag, 23. Oktober 2009

Milch in Tüten

Für alle, die gestern "Popstars" gesehen haben: Auch wenn Hobbypsychologe D! in der Sendung behauptet hat, in der DDR hätte es Milch in Tüten gegeben: Das stimmt nicht!

Damals gab es nämlich gar keine Plastiktüten, denn sämtlicher Kunststoff ging ja für die drei Trabbis und die 200 FDJ-Hemden drauf, die jedes Jahr gebaut bzw. zusammengeschmolzen wurden. Und nachdem sich Papiertüten als Flüssigkeitsbehälter auf Dauer nicht wirklich durchsetzen konnten, wurde Milch nur noch lose abgegeben. Zu diesem Zweck machte der lokale LPG-Vorsitzende jeden Morgen mit einem Rudel rot angemalter Sowjetkühe seine Runde, die Milch wurde dabei dem Endverbraucher an der Haustür direkt aus der Kuh in sein Kaffeesurrogat gespritzt. Bezahlt wurde die Lieferung mit dem jeweiligen Gegenwert in Altpapier, wahlweise auch das gemeinschaftliche Absingen der ersten 2 Strophen von "Partisanen vom Amur".
Von den sozialistischen Bruderstaaten war diesbezüglich keine Hilfe zu erwarten, da dort ausschließlich vergorene Stutenmilch konsumiert wurde. Außer in Polen natürlich, dort wurde den Leuten weis gemacht, das dort als "Transparenz-Milch"(przejrzystość) angebotene Quellwasser sei Milch von Kühen mit Pigmentstörung.
West-Plastiktüten hingegen wurden auf dem DDR-Schwarzmarkt hoch gehandelt Eine Einkaufstüte mit dem "ALDI"-Schriftzug etwa gab es im Tausch für ungefähr einen halben Sack Zement, für eine ohne Löcher mußte man noch mal drei Glasbausteine oder eine kleine Kiste Kuba-Orangen drauflegen.

Nee, im Ernst: Milch in der Tüte war vermutlich eine der bescheuerteren Erfindungen des DDR-Mangelsystems und erinnert mich noch heute an den "Eine Flasche Pommes Frites"-Sketch von Dieter Hallervorden. Wobei die Landbevölkerung hier mal ausnahmsweise im Vorteil war, denn auf dem Land gab's Mehrweg-Milchflaschen. Schön dick und bauchig, ähnelten diese verblüffend den Milchflaschen, die die Milchmänner in amerikanischen Schwarz-Weiß-Filmen immer an die Haustür liefern.

Aber auch im "Westen" gab es ja wohl (heute kaum noch vorstellbar) ein Leben vor dem Tetra-Pak. Würde mich mal interessieren, in welchen Behältnissen hierzulande die Milch veräußert wurde.

Keine Kommentare: