Donnerstag, 29. Oktober 2009

Je dichter ich werde, desto denker werde ich auch

Mag sein, daß ich in letzter Zeit etwas bissig und ein wenig politischer als sonst bin. Nur gehen mir unsere gewählten Volksvertreter derzeit auch ordentlich auf die Bällchen.

Vergessen wir mal für einen Moment die aktuelle Parlamentskonstellation samt zugehöriger Parteienlandschaft. Egal, wer das Land regiert, ich erwarte, daß er seine Kraft in den Dienst des Volkes stellt. Daher auch "Volksvertreter". Schließlich sind es nicht nationale oder multinationale Konzerne und Finanzkonglomerate, die den Damen und Herren Parlamentarier ihre Frühstücksbrötchen finanzieren. Deren Anteil am Steueraufkommen reicht gerade mal für eine dünne Schicht Margarine auf diesen Semmeln. Semmel und Aufschnitt finanzieren Otto Normalverbraucher.

Vor diesem Hintergrund finde ich es nachgerade skandalös, daß unsere Regierung in vielen Dingen konsequent am Volkeswillen vorbeiregiert. Vermutlich halten unsere Berufspolitiker es mit Wolfgang Schäuble, der vor vielen Jahren mal in einem MAX-Interview sinngemäß so etwas gesagt hat wie: "Das Volk muß auch mal gegen seinen Willen regiert werden, da es selbst zu dumm ist zu begreifen, was gut für es ist."

Beispiele gefällig?

Nehmen wir die Gesundheitspolitik. Obwohl seit Jahren die eine Gesundheitsreform die nächste ablöst, steigen die Kosten des Gesundheitssektors kontinuierlich. Gleichzeitig steigen die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung, die Qualität der Versorgung nimmt dagegen stetig ab, zumindest für Kassenpatienten. M.a.W.: Die, die das System (beitrags-)finanzieren, erhalten dafür gleichzeitig den geringsten Gegenwert. Klingt nicht gerade nach einer lohnenden Investition, oder?
Ein Grund für die steigenden Kosten sind die Kosten für Pharmazeutika. Obwohl die Politik in vielen EU-Ländern der durchaus phantasievollen Preisgestaltung der Pharmakonzerne einen Riegel vorgeschoben hat, konnte sich unsere (weitgehend privat versicherte) Bundesregierung bisher noch nicht zu so einer Maßnahme durchringen.
Leidtragende: das Gros des steuer- und beitragszahlenden Wahlvolkes.

Thema Bildungspolitik: Obwohl wir beständig neidvoll nach Skandinavien schielen und ganz Deutschland von den dortigen paradiesischen Bildungsverhältnissen schwärmt, bekommt es in unserem Land niemand hin, dies auch bei uns umzusetzen. Lieber halten wir an einem nachgewiesen ungerechten, unsozialen, unterfinanzierten und nur mäßig effizienten Schulsystem fest.
Leidtragende: die Kinder der Steuerzahler, oder anders gesagt: die Zukunft des Landes.

Oder der Verbraucherschutz.
Obwohl die Mehrzahl der Bevölkerung die Einführung einer einheitlichen Ampel-Kennzeichnung für Lebensmittel befürwortet, wird diese von der Politik abgelehnt.
Obwohl Feinstäube aus dem Straßenverkehr nachweislich unsere Gesundheit negativ beeinflussen, sträubt sich die Politik gegen eine verpflichtende Ausrüstung von Dieselfahrzeugen mit entsprechenden Filtern.
Nicht unbedingt schlüssige Begründung jeweils: Rücksichtnahme auf die deutsche Industrie.
Leidtragende jeweils: die Bundesbürger.

Wie wär's mit Energiepolitik?
Jeder weiß um die Gefährlichkeit von Atomkraft, jeder weiß um die Störfälle und um die Probleme der Endlagerung. Keiner möchte ein AKW oder ein Atommüllendlager im Hinterhof haben. Wir alle zahlen für die milliardenschweren Sanierungskosten der unsicheren Endlager, von denen die wahren Verursacher nichts mehr wissen wollen. Trotzdem zeichnet sich ab, daß die neue Bundespolitik auf der Schleimspur der Energiekonzerne entlangkriechen wird und den Ausstieg abblasen möchte.
Obwohl immer wieder über illegale Preisabsprachen und marode Netze berichtet wird und gern die enormen Energiekosten angeprangert werden, hat sich noch kein Politiker bereit gefunden, hier regulierend einzugreifen. Hier rührt sich höchstens mal ein Finger, wenn die deutsche Industrie anfängt zu meckern.
Hauptsächlich Leidtragende auch hier: das Volk.

WEN vertreten "die da oben" denn nun eigentlich? Uns?

Ich denke nicht.

Andererseits halte ich das deutsche Volk ebenfalls für ansatzweise schizophren. Seitdem Schwarz-Gelb gewählt wurde, vergeht kein Tag, an dem nicht überall lautstark auf die neue Regierung und deren Absichtserklärungen und zukünftige Maßnahmen geschimpft und gejammert wird.
Ja, wer zum Kuckuck hat die denn eigentlich gewählt, wenn sie doch scheinbar keiner haben will? Zumal sich ja jeder an drei Fingern hätte abzählen können, was da auf uns zukommt.
Oder steht es um Germanien wirklich so bescheiden, daß bei der Bundestagswahl von allen Gurken einfach nur die dicksten gewonnen haben? Ohne darüber hinweg täuschen zu können, daß auch sie letztendlich nur Gurken sind?

Wie so oft, werden wir auch diese und alle kommenden Krisen nur mit Humor meistern können. Etwas, was uns Deutschen naturgemäß leicht fällt, denn deutscher Humor ist legendär. Ich mach dann mal den Anfang mit dem folgenden, thematisch wunderbar passenden "Toll!"-Beitrag vom 27.10. (ZDF, Frontal21).

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