Freitag, 21. August 2009

WTF is Michelle Leonard?

Grade dachte ich noch: "Endlich mal Ruhe, endlich wird mal eine Woche lang kein neues One-Hit-Wonder, kein Kopulationsopfer für irgendeine abgetakelte Kakerlakenfresserin und und kein Germanys Next Werbepausengesicht gesucht". Da schreit mir beim Durchzappen der dicke Pro7-Tanzlehrer mit Migrationshintergrund entgegen, daß es jetzt bei Popstars "die kompetenteste und härteste Jury" aller Zeiten bzw. "ever" gäbe.

Ich weiß zwar eigentlich nicht, warum ich mir Popstars jedes Jahr aufs Neue antue, aber ich wollte zumindest wissen, wie "die kompetenteste Jury ever" denn aussieht.

Da wäre zunächst der dicke Tanzlehrer, der leider gar nicht mehr dick ist, sondern beinah ein wenig verhärmt und ungesund aussieht, so sehr hat er abgespeckt.
Den Herrn Ausrufezeichen kennt man bereits in allen Facetten (es existieren ca. zwei: der Drill Instructor mit dem weichen Keks Herz und der Life-Coach mit der schweren Kindheit). Laut Off-Kommentar "lebt er Popstars wie kein Zweiter". Was im Klartext wohl heißen soll, daß die Show ohne ihn bereits wieder in der wohl verdienten Versenkung verschwunden wäre, denn Deutschland ist dank Obelix Soost das gallische Dorf im "Ex und Pop"-Stars-Universum. Eigentlich gehört ihm schon allein dafür die Atemlizenz entzogen. Im Rest der Welt wurde der Käse nach der ersten, spätestens nach der vierten Staffel eingestellt.
Offenbar ist die Leidensfähigkeit des deutschen Publikums grenzenlos.

Ex-Heimkind, Ex-LiveCoach und Ex-Moppelchen Detlef macht in der ersten Folge überraschungsarm dasselbe, was er in allen anderen Staffeln auch schon gemacht hat: Böse kucken, bedeutungsschwanger kucken und erstaunt kucken. Der Mann mit den 1000 Gesichtern halt. Und weil er ein knuddeliger Problembär mit Jim Knopf-Appeal ist, nimmt man dem Ex-Familienvater auch nicht übel, daß er permanent minderjährige Tinni-tussis als "Süße" und "Engelchen" bezeichnet. In welchem Beruf (außer Zuhälter und Dieter Bohlen) darf man das denn heutzutage noch ungestraft?

Zweiter im Bunde ist einer, der schon mal dabei war und eigentlich nie wieder mitmachen wollte. Glaubt man wikipedia.de, hält bzw. hielt Alex Christensen die Kandidaten für Opfer und nicht für "echte Künstler".
Seit 2001 hat der gute Alex seine Meinung wohl geändert, sonst wäre er wohl in diesem Jahr nicht wieder mit von der Partie. Kann auch sein, daß er seine Ideale einfach über Bord (er war ja schließlich auch mal U 96) geschmissen hat. Vielleicht ist er es nach dem Scheitern der Eintagsfliegen BroSis und Alex Sings, Oscar Swings auch mal leid, sein Brot ausschließlich mit nicht gerade Jacob-Grimm-Preis-verdächtigen Songs wie "Du bist so Porno" zu verdienen.

Das dritte und letzte Jurymitglied schreibt laut Pro7 "Songs für die großen Künstler dieser Welt" und ist "eine der erfolgreichsten Songwriterinnen Deutschlands". Trotz mehrfacher Hochjubelei der schieren Großartigkeit besagter Michelle Leonard lies sich während der Sendung niemand dazu herab, mal zu erwähnen, für welche großen Künstler sie welche internationalen Charterfolge geschrieben haben mochte. Nachdem Pro7 sonst mit solchen Infos nicht sonderlich geizig ist, machte mich das mißtrauisch.
Was soll ich sagen: Die Vermutung bestätigte sich, wobei sich meine Überraschung in Grenzen hielt. Die angepriesene Internationalität erschöpfte sich bei Chartplatzierungen in der Schweiz und Österreich, die "großen Künstler dieser Welt" entpuppten sich fast ausschließlich als eine bunte Mischung von weitgehend wieder in der Versenkung verschwundenen Castingpflaumen. Vor diesem Hintergrund konnte man die Ankündigung, daß die Sieger von ihr einen Song geschrieben bekommen, getrost als Drohung auffassen.
Auch sonst tat die Dame alles, um innerhalb kürzester Zeit einen Spitzenplatz auf des Michels persönlicher Liste unerträglicher Nervensägen zu ergattern. Von einem verkrampft jugendlichen, in die wartende Teeniemeute gejauchzten "I likki-likki-like it!", über die penetrant alberne Verteilung von unsichtbarem "Feenstaub" an nervöse Teilnehmer bis hin zur Lady Gaga-Gedächtnislocke - der überkandidelte Schminkkrapfen nervte von der ersten bis zur letzten Minute.

Was gab's sonst noch? Weniger lustige Teilnehmer (die richtig Besemmelten gehen ja doch lieber zu DSDS), weniger talentierte Teilnehmer, ein paar an den Haaren herbei gezogene neue Regeln und "more Drama". Denn wenn die Teilnehmer weniger schrill und die Jury weniger boshaft ist, außerdem der Unterhaltungswert des Teilnehmerfeldes eher im Durchschnittsbereich herumdümpelt, dann muß man sich die wenigen Highlights eben selber basteln. Und das kann nach 7 Staffeln Popstars keiner besser als Lockenköpfchen Soost. Also gibt es statt interessanter Kandidaten noch mehr finstere Blicke, inhaltslose Ansagen und durch sinnlose Zeitlupen und andere Kunstkniffe künstlich aufgeblasene Zwischenspiele.

Die "härteste und kompetenteste Jury ever" hab ich mir jedenfalls ganz anders vorgestellt:



Sofern es da eine Steigerung ins Negative gibt, ist Popstars 2009 noch substanzloser und irrelevanter geworden als die vorangegangenen Staffeln. Ich hoffe, daß diese cash cow nach dieser Staffel endlich mal abgemolken ist und auf einer schönen Sendeformatmüllhalde resp. Alm ihren wohl verdienten Lebensabend fristen darf, ohne daß sie nochmal einer vor die Kamera zerrt. Muß ja auch nicht, denn aus dem, was hinten aus der Kuh fällt, können die Innovatoren der deutschen Fernsehlandschaft garantiert eine neue Castingshow für's Evolutionsnischenpublikum zusammenschustern. Ich z.B. wüßte gerne mal, wie ein Casting für "Britt-Talk um Eins" abläuft. Wird da eine Bierdosenspur von Hamburger Hauptbahnhof bis zum Fernsehstudio gelegt, oder tingeln die Redakteure einfach mit einem mobilen Vaterschaftstest-Labor durchs Brandenburgische?

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