Mittwoch, 10. September 2008

Bayern wählt

...und zwar nicht die beliebtesten Kotzwinkel und Wildpinkleroasen der diesjährigen Wies'n, am 28.09. ist Landtags- und Bezirkswahl.

Und damit das auch niemand vergißt, haben fleißige Parteifreunde die gesamte Stadt mit sinnlosen Plakaten bepflastert. Sinnlos deshalb, weil sie a) den Steuerzahler (also mich) ein Schweinegeld kosten, b) ihr Einfluß auf das Wahlverhalten weitgehend als vernachlässigbar gilt und c) noch Monate später aufgeweichte Plakatreste an den Straßenrändern das Auge beleidigen.
Außerdem sind Wahlplakate inhaltlich meist unter aller Kanone. Schau'n 'mer mal:

SPD: Der Kandidat für den hiesigen Stimmkreis ist ein Mensch namens Ritter. Zum relativ beliebigen Slogan der Bayern-SPD "Bayern, aber gerechter." (klingt wie "Gülle, nur duftender") bereichert uns dieser dank seines Namens mit einem weiteren Plakat. Unter der Überschrift "Ein Ritter für München" schmückt selbiges eine scheinbar mit Buntstift hingekritzelte Ritterfigur. Der Knaller. "Ritter" heißen und dann mit einem Ritter zu werben - geradezu genial. Und der Mann hat eine Werbeagentur...

Bayernpartei: Auch bei der BP (ja, die gibt's noch) hat man sich auf Namensspielereien verlegt, nur noch einen Zacken schärfer. Denn ihr Kandidat heißt Hummel. Und was macht man wohl, wenn man BP-Mitglied ist und Hummel heißt? Genau. Man plakatiert wie folgt: "Kellerassel? Heuschrecke? Kriechtier? Eintagsfliege?- Dann lieber Hummel!"
Wenn man die Liste noch um Filzläuse, Zecken und Kanalratten ergänzt, wird's vielleicht noch deutlicher: Herr Hummel möchte gewählt werden, weil er lediglich das "kleinere Übel" zu sein scheint. Keine gute Ausgangsbasis.
Da hilft auch nicht, daß die BP auch mit dem Hohl-Slogan "Rauchen erlaubt" auf Stimmenfang geht. Die BP als Raucherclub - na, mir soll's recht sein.

CSU: Die CSU plakatiert hier angenehm zurückhaltend. Beim Schreiben dieser Zeilen wollte mir nicht ein einziges Plakat vor das geistige Auge treten. Also hab ich mal im Internet gestöbert. Bei "kandidatenwatch.de" hat Kandidat Bernhard nicht eine Wählerfrage beantwortet. Die Webseite der CSU verweist in puncto Werbemittel auf den eigens eingerichteten Webshop "bavaria-gmbh.de". Dort gibt es zwar vom blau-weißen CSU-Labello (allein beim Gedanken daran wird mir schlecht) und dem Pappaufsteller "Erwin Huber" (welcher ggfs mehr Tiefe hat als der echte) für den Hardcore-Fan gegen Bares alles mögliche zu erstehen, nur nicht die versprochenen Plakate.
Ich werde das Gefühl nicht los, daß die CSU schon aufgegeben hat. Zumindest in München.

FDP: Hauptslogan der bayrischen FDP ist "Gelb. Der deutlichste Kontrast zu Schwarz." Schon seltsam, wie die FDP damit auf Distanz zu einer Partei geht, mit deren Schwester sie sonst am liebsten koaliert. Außerdem dachte ich immer, daß "Weiß" immer noch der deutlichste Kontrast zu "Schwarz" wäre. Aber was weiß ich schon. Ich bin ja nur Stimmvieh.
Einer ihrer Kandidaten in München ist ein 62jähriger Allgemeinmediziner namens Bertermann. Selbiger Arzt lächelt freundlich wie Onkel Dittmeyer von seinen Wahlplakaten, unter seinem Konterfei klebt allerdings ein Sticker mit der kryptischen Aufschrift "Dr. Be!".
Was soll das? Der Mann hat seine Praxis in einem teuren Münchner Gutverdiener- und Szeneviertel! Ist dem jetzt auf einemale krass Ghetto, oder was wolle?

Plakate anderer Parteien hängen natürlich auch noch herum, scheinen mir momentan wenig beachtenswert. Vielleicht fällt mir aber nochmal was ins Auge...

Unbedingt zu erwähnen sind aber noch meine neue Lieblings-Spaßpartei, "Die Violetten". Nie gehört? Hatte ich auch nicht, bis ich ihren Namen auf der Wahliste entdeckte.
Die Partei steht hauptsächlich für spirituelle Politik mit Anleihen aus Esoterik, Friedensbewegung und Star Trek. Demzufolge wundert es nicht, daß die meisten Kandidaten für Bayern (Sozial)pädagogen, Heilpraktiker und Lebensberater aller Couleur sind.
Über "Die Violetten" mußte ich erstmal herumrecherchieren, von wirklicher öffentlicher Präsenz kann man nicht sprechen. Vermutlich sitzen die Kandidaten zuhause in ihren räucherstäbchengeschwängerten FengShui-Denkoasen und versuchen, den gemeinen Wähler telepathisch von ihren Thesen und Ansichten zu überzeugen.

Den wohl schönsten Netzfund stellt wohl dieses Interview der rheinland-pfälzischen Vorsitzenden dar. Ein Kleinod unfreiwilliger Komik, um so tragischer, daß die fuchtelnde, um Worte ringende Frau in dem grauen Katzenhaar(?)pullover eigentlich recht sympathisch ist. Für diejenigen, die keine Lust haben, sich das Video anzuschauen, zwei Auszüge:

Frage: Was verstehst du unter Spiritualität und wie äußert sich das, daß du ein spiritueller Mensch bist oder jemand, der spirituell lebt oder es jedenfalls versucht?

Antwort: Also, das eine ist das, daß ich sag, wenn ich irgendwas in der Welt ...ändern möchte, dann fange ich in mir selber an zu schauen, wo das, was.. was mich da stört...mich da schmerzt... in der Welt..wo das noch in mir ist.
Und... hm... wenn ich dann noch zum Beispiel politisch mitarbeiten möchte, das zu ändern, wenn ich in mir gekuckt hab, wo das ist...also zum Beispiel, wenn ich Frieden, mehr Frieden möchte in der Welt, und ich hab an mir gearbeitet und fühl mich <...> dann anschließend friedvoller, dann kann ich, glaube ich, wesentlich konstruktiver, effektiver, zielführender, zum Beispiel 'ne politische Friedensarbeit auch machen, als wenn ich mit mir selber noch im Unfrieden bin.
Ja.
Das ist das eine.
Ich fange bei mir selber an... und das andere, das ist...von mir so der spezielle Weg... sagen wir mal...: über mich rauszukommen oder über eine persönliche Anschauung, die ich grad habe und mit der ich grad emotional sehr identifiziert bin, rauszukommen, habe ich schon lange die Art und Weise, gegen mich selber anzudenken. Sozusagen dann versuch... versuchen, das Gegenteil zu denken, was ich grad denke, also...hm...zum Beispiel... "Die...die Banken sind zum Beispiel schuld an einem gewissen Maß an Ungerechtigkeit oder in einem gewissen Maß für Ungerechtigkeit", dann versuche ich, dagegen zu denken. Ich kann versuchen, dagegen zu denken, in dem ich sag: "Die sind gar nicht schuld, jemand anderes ist schuld", "alle sind schuld",..."ich bin schuld" und so weiter. So dieses Dagegen-Denken, denken in Gegensätzen, das ist was, was ich gerne tue. Ja. Genau. Immer so das aufzulösen, was... wenn etwas in meinem Kopf...ist, womit ich emotional stark identifiziert bin, dann komm ich so langsam zu 'ner ausgewogenen... Anschauung. Und ich - das würde für mich auch spirituelle Politik ausmachen - ...öhm...einen Kreis von Anschauungen zu bekommen und nicht an einer Anschauung festzuhaften und... mm... ja, und dafür dann politisch zu kämpfen, in dem man gegen das andere ankämpft. Ja. Hmhm.


Frage: Was zieht dich daran an, in einer Partei mitzuarbeiten, jetzt im Vergleich, zum Beispiel, du könntest auch außerparlamentarisch in einer Organisation arbeiten? Was ist es jetzt grade in einer pol... zieht dich grad dahin, in einer Partei zu arbeiten, die eigentlich grade erst im Aufbau beriffen ist und auch noch nicht sehr viel Einfluß hat?

Anwort: Hmhm. Ja schon. Das wort "spirituell" und diese... daß dieses Arbeiten an mir selber mit eingebunden ist. Das das zieht mich daran an. Also bei den traditionellen Parteien, insbesondere CDU, SPD, hab ich den Eindruck, wenn jemand für das Programm ist, dann isser da richtig, für für das eigene Programm, für die eigenen Leute, gegen die andern, dann isser da richtig. Und so, hab ich den Eindruck, sind die Violetten nicht. Sondern... ähm... sie sind grundsätzlich erstmal vorurteilsfreier eingestellt, von ihrem Programm her, und... es geht nicht dadrum, sich einem, überhaupt einem festen Programm zu verschreiben, sondern die diese Offenheit des Denkens in Zusammenhang mit dem eigenen persönlichen Prozeß. Das steht an... hat einem sehr hohen Stellenwert, und das seh ich in den anderen Parteien nicht so. N' Grünen...bei den Grünen vielleicht in Ansätzen. Ja.

Sollten die Violetten wirklich mal die 5%-Hürde nehmen, freu ich mich schon auf die angekündigte Rückkehr zur Tauschwirtschaft und die Einführung von Hanfbenzin, Hanfautos usw (s. Webseite). Für mich ist die Partei eine echte Alternative.
Und die Milka-Kuh wird Wappentier.

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